Vier Frauen aus unterschiedlichen Epochen, die verschiedener nicht sein könnten, kommen an diesem literarischen Theaterabend zu Wort. Es sind Desdemona, Klytämnestra, Eva Hitler und Gudrun Ensslin. Jede dieser Frauen schrieb auf ihre ganz eigene Weise Geschichte.

Liebe, Anerkennung, Ruhm oder Gerechtigkeit sind die Ziele dieser Frauen und jede kämpft leidenschaftlich für ihr Ziel. Sie verlassen dabei den Rahmen ihrer Epoche und handeln gegen gesellschaftliche Konventionen. Am Scheideweg ihres Lebens angekommen, blicken sie zurück.

"Wenn Du geredet hättest Desdemona“, ungehaltene Reden ungehaltener Frauen von Christine Brückner (Hoffmann & Campe Verlag), diente dabei als Grundlage für den Theaterabend. Die Autorin gibt den berühmten Frauen in diesem Buch eine Stimme. Was wäre passiert, wenn diese Frauen geredet hätten? Aufruhr? Unruhe? Oder sogar gesellschaftliche Umbrüche?

Inspiriert von dieser Lektüre entschloss sich die Schauspielerin und Theaterpädagogin Sylvia Schmitz vier Frauen aus dem Buch Gehör zu verschaffen. Sie gewann die Sopranistin Kerstin Rüter für ihr Projekt, setzte unter der Regie von Tony Glaser die Reden von Desdemona, Klytämnestra,     Eva Hitler und Gudrun Ensslin szenisch um.  


Desdemona

 

Sie ist die Protagonistin aus Shakespeare`s Othello. Gegen den Willen des Vaters hat sie Othello geheiratet. Aufgehetzt von dem Feldherrn Jago, beschuldigt Othello Desdemona, ihn mit seinem Vertrauten Cassio betrogen zu haben. Aus Eifersucht will er Desdemona töten und stellt sie zur Rede.

Wenn du geredet hättest, Desdemona

Schweig und sei still hast du gesagt! Nein, Ohtello, nein! Ich werde nicht schweigen. Hier, in unserem Haus habe ich mit zureden. Willst du aus unserem Liebeslager ein Schlachtfeld machen? Muss denn alles blutig enden? Du bist ein Feldherr. Willst du jetzt zum Mörder werden? Leg den Dolch weg, Othello! Soll das deine letzte Heldentat sein? Die Frau umzubringen, die dich liebt und die dir immer treu war? Eine Frau, die sich nicht wehrt? Töten kannst du mich auch noch in einer Viertelstunde. Ich hab dir mein ganzes Leben anvertraut, Othello, sei jetzt nicht geizig, mach mir eine Viertelstunde zum Geschenk.( ...)


Klytämnestra

 

Klytämnestra ist die Frau Agamemnons, König von Mykene. Agamemnon zog gegen Troja in den Krieg, weil dort die Frau seines Bruders festgehalten wurde. Nach seiner Rückkehr tötet Klytämnestra Agamemnon aus Rache, weil er ihren ersten Mann und ihr erstes Kind tötete, er ihre Tochter Iphigenie opferte, zehn Jahre in den Krieg zog und die Seherin Kasandra als Sklavin mitbrachte.

Bist du nun glücklich, toter Agamemnon? Da liegst du, aufgebahrt in der großen Halle des Palastes. Du hast mir nie zu gehört. Jetzt hör mir gut zu, toter Agamemnon! Man wird sich streiten, ob es Ägisth getan hat oder ich. In meinem Herzen gab ich dir hundertfach den Tod. Ich bin ein Schwamm aus Hass, weh dem, der diesen Schwamm zusammenpresst. ( ...)


Eva Hitler

 

Eva Anna Paula Hitler wurde als Eva Anna Paula Braun am 6. Februar 1912 in München geboren. Adolf Hitler hält die Beziehung zu Eva Braun vor der Öffentlichkeit geheim. Am 29. April 1945 kurz vor Ende des Krieges heiraten sie und Adolf Hitler im Bunker der Reichskanzlei. Am 30. April 1945 begehen sie gemeinsam Selbstmord. 

Die Banalität des Bösen.  Aber jetzt, wo das Geheimnis um Eva Braun gelüftet ist, da werde ich berühmt werden. Eine Wahrsagerin hat mir prophezeit, dass die Welt einmal von mir und meiner Liebe sprechen wird. Daran habe ich immer fest geglaubt und das hat mir die Kraft gegeben. Meine Lebensdaten sind nun auf immer mit denen des Führers verbunden. Eheschließung am 29. April 1945 mit Eva Braun. Freitod am Tag darauf, zusammen mit seiner Gattin, Eva Hitler. Daran muss ich mich erst gewöhnen: Eva Hitler! Hitler, mein Mann! Aber ich brauche mich ja gar nicht zu gewöhnen. ( … )


Gudrun Ensslin

Gudrun Ensslin war neben Andreas Baader und Ulrike Meinhof Gründungsmitglied der Roten Armee Fraktion, kurz RAF genannt. Sie wurde am 15.08.1940 als Pfarrerstochter geboren. Mit dem Schriftsteller Bernhard Vesper hatte sie einen Sohn. 1968 ging sie mit Andreas Baader in den Widerstand. 1972 wurde Gudrun Ensslin verhaftet. Zusammen mit anderen RAF Mitgliedern wurde sie zuletzt in die JVA  Stuttgart Stammheim inhaftiert. Am 18.10.1977 begann Gudrun Ensslin in Stammheim Selbstmord.

Kein Denkmal für Gudrun Ensslin, Rede gegen die Wände der Stammheimer Zelle. Ich will reden, wenn ich reden will, und nicht, wenn ihr wollt, ihr Scheißer! Und wenn ich gegen die Wände rede! Alle reden immer nur gegen Wände! Warum ich auf Socken laufe? Weil ich meine Schritte nicht mehr hören kann: Tapp – tapp, tapp – tapp. Wie eine Katze schleiche ich mich an, und dann mache ich einen Satz. ( … )